Stellungnahme: Taubblinde belgische Zwillinge wählen den Freitod

Am 12. Januar 2013 wurde der Freitod belgischer Zwillinge bekannt, die taub geboren wurden und mit zunehmendem Lebensalter erblindeten. Mit 45 Jahren entschlossen sich die beiden Männer, die in Belgien seit 2002 legale aktive Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen.

Unabhängig davon, welche Meinung zur aktiven Sterbehilfe besteht – in den meisten praktizierten Fällen handelte es sich um unheilbar kranke Menschen, die unter starken Schmerzen litten und den Freitod wählten, um selbstbestimmt und würdevoll aus dem Leben zu scheiden.

Es ist erschreckend und äußerst besorgniserregend, wenn eine drohende Taubblindheit in aktive Sterbehilfe mündet. Wir als Verein „Leben mit Usher-Syndrom e.V.“ bedauern es sehr, dass die von Taubblindheit bedrohten Brüder nur noch diesen Ausweg für sich in Betracht zogen.

Das Beispiel zeigt, wie Betroffene und deren Umfeld durch die drohende Taubblindheit in einen Zustand der Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit versinken können. Es stellt sich die Frage, ob das gesellschaftliche Umfeld ein solches Abgleiten nicht hätte verhindern können. Auch in Deutschland gibt es zahlreiche Berichte von ähnlichen Schicksalen Betroffener in isolierten Lebenssituationen.

Ein erfülltes und zufriedenes Leben mit hoher Lebensqualität ist nach unserer Erfahrung als Betroffene trotz der doppelten Sinneseinschränkung in einer inklusiven Gesellschaft und bei angemessener Hilfsmittelausstattung möglich. Dem Prozess des Abgleitens kann durch eine breite gesellschaftliche Anerkennung der Hörsehbehinderung bzw. Taubblindheit als Behinderung eigener Art und durch die damit verbundenen Unterstützungsmaßnahmen entgegengetreten werden.

Hintergrundinformationen

Mit unserer Arbeit möchten wir Menschen miteinander in Verbindung bringen, die durch das Usher-Syndrom von Taubblindheit bedroht oder betroffen sind. Durch vielfältige Vereinsaktivitäten, Seminare und Austauschmöglichkeiten finden Betroffene und Angehörige Kontakt zueinander und erfahren Stärkung und Unterstützung. Leben mit Usher-Syndrom e.V. beteiligt sich aktiv in politischen Gremien, um die rechtliche Situation taubblinder Menschen in Deutschland zu verbessern.

In Deutschland schätzt man die Zahl der Betroffenen auf 3.000 bis 6.000 Personen. Genaue statistische Angaben existieren bisher aufgrund der sehr lückenhaften Datenlage nicht. Das Usher-Syndrom gilt als die häufigste Ursache für Taubblindheit.

Eine Anerkennung als Behinderung eigener Art kann über ein Merkzeichen erfolgen. Das Merkzeichen löst die schwerwiegenden Probleme taubblinder Menschen noch nicht, aber es schafft die Voraussetzung, um die Unterstützung dieses Personenkreises gezielt und wirksam zu verbessern. Nach der Einführung des Merkzeichens gilt es, weiter an einer besseren Unterstützung für taubblinde Menschen zu arbeiten. Benötigt werden u.a. qualifizierte Taubblindenassistenz, Kompetenzzentren, verbesserte Rehabilitationsmöglichkeiten und spezifische Angebote z.B. für Bildung, Beschäftigung und Wohnen.

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