Der Genort von Usher 1K ist lokalisiert

von Dr. Hans-Jürgen Krug

Die für das Usher-Syndrom verantwortlichen Gene haben unerwartete Einsichten in die biochemischen und entwicklungsgeschichtlichen Gemeinsamkeiten von Auge und Ohr ermöglicht. Die Pathologie eröffnet einmal mehr den Blick in die Komplexität des scheinbar schlicht Normalen.

Bislang wurden bei den drei Subtypen des Usher-Syndroms über 12 Gene bzw. Genorte identifiziert und zum Teil auch deren Proteine ausgemacht. Beim Usher-Syndrom Typ 1 fand man bisher die größte Anzahl von Genen (Usher 1B bis Usher 1J). Etwa zeitgleich mit dem Gen von Usher 1J wurde in einer Veröffentlichung vom Oktober 2012 der Genort von Usher 1K bestimmt. Er befindet sich auf dem Chromosom 10 und hat die Bezeichnung 10p11. 21-q21. 1.

Die Nadeln im Heuhaufen

Wie bereits beim Gen Usher 1J (vgl. Usher-Magazin 08, S. 8) wurde der neue Genort in Pakistan bei zwei in sich blutsverwandten Familien gefunden. In dieser Region sind Ehen unter blutsverwandten Partnern nicht selten. Deshalb treten in diesen Großfamilien autosomal-rezessive Erbkrankheiten deutlich häufiger auf als in Erdteilen, wo im Regelfall Partnerschaften zwischen statistisch blutsfernen Familien eingegangen werden. Die relativ kurzen Generationszyklen in orientalischen Ländern erlauben es zudem, für die sog. Kopplungsanalyse Blutproben gleichzeitig von mehreren Generationen des Familienstammbaumes zu erheben.

Der Ausgangspunkt für die Suche nach noch unbekannten Usher-Genen waren in der Studie Kinder aus pakistanischen Gehörlosenschulen, die insofern Kandidaten für das Usher-Syndrom sind, da nach aktuellen Statistiken Usher 1-Betroffene 3 bis 6 % aller Gehörlosen ausmachen. In einer eingehenden medizinischen Untersuchung der gehörlosen Schüler wird nach den charakteristischen Usher-Symptomen wie Gleichgewichtsstörungen oder RP-typischen Netzhautveränderungen gesucht, und zugleich werden andere syndromale Erkrankungen mit Hör- und Sehbehinderung ausgeschlossen. Da bei dem nur vereinzelten Auftreten des Usher-Syndroms in den Familien ein rezessiver Erbgang angenommen werden kann, muss das gesuchte Gen dort liegen, wo die Gene auf beiden DNA-Strängen genau übereinstimmen. Dies sind die sog. homozygoten Gene. Tatsächlich lässt sich zeigen, dass auf dem vermuteten Genort bei den nicht betroffenen Geschwisterkindern dann beide Stränge ungleich sind (heterozygote Gene); diese Geschwister sind folgerichtig die Überträger der Erkrankung.

Markergene

Zu Beginn der Analyse werden die Kandidaten aus Familien mit Gehörlosigkeit bzw. Usher-Syndrom auf die bereits schon bekannten Usher 1-Gene hin untersucht. Ist das Ergebnis dieser durchschreitenden Sequenzierung negativ, wird ein noch unbekanntes Usher-Gen vermutet.

Bei der anschließenden Suche nach einem neuen Gen in einer Datenwüste von ca. 25.000 Strukturgenen beim menschlichen Genom ist man auf die Hilfe von Markergenen angewiesen, die sich durch strukturelle Auffälligkeiten wie stereotype Basenwiederholungen auszeichnen. Es gibt ein analoges Phänomen beim Hören von Musik: oftmals erkennen wir ein Stück erst durch eine markante Stelle meist am Anfang oder am Ende wieder; ohne diese würden wir das Gehörte nicht sofort zuordnen können. Das musikalische „Riff“ wird zum Wahrzeichen des gesamten Stücks. Diese genetischen Markierungen am Rande des gesuchten und zuweilen recht umfangreichen Gens verbleiben genau wegen dieser Nähe auch über mehrere Generationen von Reduktionsteilungen in dieser engen Nachbarschaft. Deshalb können diese Marker zum schnelleren Auffinden des neuen Genorts über den gesamten lebenden Familienstammbaum genutzt werden, ohne dass man diesen Ort selbst schon im Detail kennen müsste.

Usher-Syndrom und Gehörlosigkeit

Im Überlappungsbereich des neuen Genortes Usher 1K befindet sich das bereits länger bekannte Taubheitsgen DFNB33, das für eine isolierte Gehörlosigkeit verantwortlich ist. Diese Nachbarschaft von Usher- und Taubheitsgenen ist auch von anderen Usher-Typen bekannt. Es wird vermutet, dass beide Gene zu einer Einheit gehören, die je nach Mutation einen deutlich unterschiedlichen Krankheitstyp hervorbringt.

In ähnlicher Weise ist das Gen Usher 1J mit dem von DFNB 28 vergesellschaftet (beide auf dem 15. Chromosom).

Auf dem 10. Chromosom mit Usher 1K / DFNB 33 befinden sich etwas entfernt noch die Gene von Usher 1D / DFNB 12 und Usher 1F / DFNB 23.

Die hier untersuchten Verhältnisse sind komplex und numerisch umfangreich: Allein in der von den Markergenen eingeschlossenen Region von Usher 1K und DFNB 33 befinden sich weiterhin noch 85 bekannte Gene, von denen allein 53 im Innenohr eine Rolle spielen.

Quelle:

Thomas J. Jaworek: USH1K, a novel locus for type I Usher syndrome, maps to chromosome 10p11. 21-q21. 1, in: J Hum Genet. 2012 October; 57(10): 633–637.

 

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